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REALISMUS IM COMPUTERSPIEL: DAS KUNSTWERK als Zitat

„Das technisch reproduzierbare Bild gerät durch die Digitalisierung wie bei jeder früheren medialen Verschiebung in eine Krise, und angesichts des Computers steht seit dem Ende des 20. Jahrhunderts das nicht digitalisierte Bild erneut in Frage.“


Gunzenhäuser, Randi: Virtualität. Das Computerspiel als Schnittstelle zwischen Fiktion und Wirklichkeit. In: Decker, Christof (Hg.): Visuelle Kulturen der USA zur Geschichte von Malerei, Fotografie, Film, Fernsehen und Neuen Medien in Amerika, transcript Verlag, Bielefeld, 2010, S. 312f.




Hinführung: Es existieren zahlreiche und umfängliche Diskussionen zum Thema wie das Kunstwerk im Internet, auf Social Media Plattformen oder im privaten (Um-)Raum Verwendung findet. Mir geht es um die Übertragung des Kunstwerks in das Medium des Computerspiels und die daraus resultierende Kommunikation zwischen Spieler (Betrachter) und Objekt. 

Als Arbeitsbegriff verwende ich bisher einen mehrdeutigen, den des Realismus. Dieser Realismus, der zum einen eine Kunstepoche, zum anderen ein künstlerisches Stilmittel umschreiben kann, dient mir für die Idee das Kunstwerk innerhalb des Computerspiels zu umklammern. 

(Bildquelle)








Die realistische Darstellung im Point-and-Click Adventure  The Secrets of da Vinci: Le Manuscrit interdit bindet den Rezipienten mittels Scripted Reality mit festgesetztem Ende an das rekonstruierte Château du Clos Lucé, Amboise. Im Detail heißt das, dass die letzte Wohnresidenz Leonardo da Vincis und der dazugehörige Schlosspark für das Spiel aufbereitet wurden. Der Spieler durchwandert beide als Schüler von Francesco Melzi, in dessen Auftrag. 


Im Kontext zum Spiel The Secret of da Vinci zeigt sich die realistische Wiedergabe von Kunstwerken in einer gleichberechtigten Umsetzung: 

Der Spieler durchläuft die Räume des Château Clos du Lucé und kommt zum Beispiel im Einzelfall Objekten des Kunstgewerbes aus der Renaissance sowie den Hauptwerken Leonardo da Vincis (Mona Lisa, Johannes der Täufer) durch Quests näher. Durch die vorgegebene Handlungsabfolge bedarf es keiner ausführlichen Beschreibung von Zitaten, die der Spieler nicht näher berücksichtigen muss. Sie sind aber dennoch als Objekte angelegt und erkennbar inszeniert. 

(Screenshot)




Rezeptionsästhetischer Ansatz
Generell ist zu beobachten, dass eine große Dichte kunsthistorischer Zitate in Computerspielen zum Einsatz kommt, die in jedem einzelnen Fall versucht, der historischen Darstellung  gerecht zu werden. Des Weiteren steht die technische Reproduzierbarkeit im Zentrum, die wiederum der Programmierung und dem Spielegenre unterstellt sind. So verschieden die Spielmodi sind, so ähnlich sind ihre vermittelnden Aspekte. Viele Zitate sind beiläufig im Spiel angeführt, bilden eine nicht begehbare Architektur oder ein nicht näher zu betrachtendes Objekt ab, oder stellen einen zentralen Inhalt innerhalb der Erzählstruktur dar. In beiden Fällen kommt es dazu, dass Raumdarstellung und Zitat in ihrer strukturellen Wiedergabe, zumindest in ihrer Oberflächen-beschaffenheit gleichwertig umgesetzt werden. Bildet das Zitat ein Teil eines Quests ab, wird die Rekonstruktion detaillierter und spezifizierter. 
Realismus bedeutet im Kontext des kunsthistorischen Zitats eine unveränderte Übertragung ins digitalisierte Format, diese fällt in der Gesamtheit diverser Spiele sehr hoch aus. Zu beobachten ist auch eine Form des Hyperrealismus. Dieser findet sich u.a. in der Wiedergabe von Architekturen (siehe Blogpost Assassins Creed UNITY), die so am Standort nicht mehr vorzufinden sind und deren räumliche Ausgestaltung für das Computerspiel rekonstruiert und in Teilen neu erdacht aber am historisch Beispiel orientiert sind. 
Diese Faktoren müssen berücksichtigt werden in der Fragestellung wie der rezeptionsästhetische Ansatz dieser Computerspiele seine Anwendung findet. Wie nimmt der Rezipient das kunsthistorische Zitat im Computerspiel wahr? Woran erkennt er ein Gemälde oder ein Objekt des Kunstgewerbes? Wie wird der Realismus in der Digitalisierung verstanden? Ausschlaggebend hierfür ist die differenziert ausgeprägte Fähigkeit zur Rezeption des Spielers. Im Detail entscheidet die Fähigkeit zur Differenzierung und Verbindung darüber, ob und wie das kunsthistorische Zitat erkannt, verarbeitet und verknüpft wird. Bereits im ersten Schritt der Wahrnehmung – der Betrachtung – offenbaren sich zahlreiche Möglichkeiten der Immersion.
Das reproduzierte und digitalisierte kunsthistorische Zitat hat Einzug in die Kunstform des Computerspiels erhalten. Inwiefern haben hier vielleicht die teilhabenden Institutionen, denen die Kunstwerke entlehnt sind, einen Anteil an den bildvermittelnden Inhalten? Ausgehend vom Computerspiel soll hinterfragt werden welche Vermittlungsstrategien durch den demokratischen Zugang zur Kultur entstehen kann. Den Anfang für eine komplexe Vermittlungsstrategie symbolisieren Institutionen wie das Städel Museum Frankfurt oder das Metropolitan Museum Museum of Art New York, die ihre Sammlungen für den Rezipienten differenziert und abrufbar zur Verfügung stellen. 
Hypothese
Zum derzeitigen Stand des Forschungsprojekt wird die Hypothese formuliert, ob die Idee des Computerspiels, ein historisches Konstrukt mittels kunsthistorischer Zitate (hyper-) realistisch zu inszenieren einen Teil der internationalen Bereitstellungskultur von Kunst darstellen kann. Ergo, was kann Open Access für die Vermittlung von Kunst leisten? Vielfach präsentieren die Rezipienten der Spiele ihre Differenzierungs- und Verbindungsfähigkeit mittels digitaler Medien. Im Fall von Assassins Creed 2 (Blogpost folgt) entwickelte sich ein rückwarts ablaufender Vermittlungs- und Erfahrungsprozess. Der Rezipient reiste beispielsweise zum Handlungsort des Spieles, um einen direkten Vergleich zwischen Virtualität und Realität via youtube aufzuarbeiten. Bereits 2014 stellte das Getty Museum in seinem Blogbeitrag Beyond Digitization-New Possibilities in Digital Art History klar heraus, wie sehr digitale Technologien, der freie Zugang kunsthistorischer Daten in Form von Abbildungen oder Texten, den Zugang des Museumsbesuchers, spezifizierter des Kunsthistorikers oder reinen Kunstinteressierten, beeinflussen und verändern könnte. Was kann eine fundiert aufbereitete und ortsunabhängige Bildbetrachtung alles leisten? 
Ausblick
Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf die Kernkompetenz der Kunstgeschichte, in der es gilt, das Original im Zentrum der Ausbildung zu sehen? So formuliert der Interdisziplinäre Forschungsverbund Digital Humanities Berlin: 

„Das interdisziplinäre Forschungsfeld, das die Digitaltechnologie zur Untersuchung genuin geisteswissenschaftlicher Sachverhalte nutzt, integriert wissenschaftliche Tätigkeiten, die in mono- oder multimedialer elektronischer Form Zeugnisse der menschlichen Kultur sichern, analysieren, deuten und präsentieren.“


Interdisziplinärer Forschungsverbund Digital Humanities Berlin, Stand 26.8.19
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